Ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich über dieses Thema schreiben kann, ohne dass ich direkt von jedem bemitleidet werde oder alle denken, dass die Jungs böse oder unfreundlich sind.  Ich hoffe, dass mir das irgendwie gelungen ist

Zuerst einmal ist zu sagen, dass Vietnamesen im Allgemeinen sehr dünn sind und recht klein. Gerade durch ihren Körperbau hat man das Gefühl, dass sie dazu veranlagt sind, extrem dünn zu sein, sowohl die Mädchen als auch die Jungs. Daraus erschließt sich auch das Schönheitsideal „so dünn, wie möglich“ zu sein, dass ja auch in Ländern wie Deutschland bei der Mehrheit der Jugendlichen verbreitet ist.

Allein schon durch unseren kräftigeren Körperbau, aber auch weil wir im Durchschnitt nicht zwischen 45-50 Kilogramm wiegen, weichen wir also deutlich von  diesem Schönheitsideal ab. Einer meiner Freunde drückte es aus mit „special“. Gerade von Anfang an wurde unsere „Schönheit“ aber auch bewundert. Sicher hört es jede/r gerne, dass man ihn hübsch findet –  uns war das extrem unangenehm vor allem weil wir wussten, dass es eigentlich darum ging, dass wir „anders“ sind.

Nach den ersten Monaten hier in der Einrichtung hatte sich dann aber die Zeit der ganzen „Oh, you are so beautiful“ ’s gelegt und es ist zum Glück Normalität eingetreten. Seitdem erhielten meine Mitvolontärin und ich die verschiedensten Spitznamen. Anfangs oftmals „young buffalo“, das ist ein typisch vietnamesischer Spitzname, um jemanden zu ärgern (darauf kam ich ehrlicherweise erst ein wenig später und war anfangs doch sehr verwirrt, was genau sie mir damit sagen wollten). Später bekam ich dann öfter auch ein „fat ass“ oder „bubblebutt“ zu hören. Auch meine großen Augen haben häufig für verschiedene Sprüche gedient, viele der Jungs hatten wohl Angst, dass meine Augen rausfallen könnten, wenn ich sie vor Schreck weit öffne. Mit den Spitznamen ging es dann munter weiter: dinosaur, elefant bis hin zu young monkey und noch viele weitere mehr.

Auch wenn ich weiß, dass die Jungs es eigentlich nicht so böse meinen, war es anfangs doch schwer damit umzugehen, mit all diesen Worten konfrontiert zu werden. Noch schwieriger ist es aber ehrlich gesagt damit umzugehen, wenn man ständig gesagt bekommt, wie toll man aussieht – gerade wenn man selbst weiß, dass das nicht der Fall ist, sondern sie das nur denken, weil wir „weiß“ sind. Ich denke auch, dass gerade meine blond gefärbten Haare dazu viel beigetragen haben. Für mich mit ein Grund,  sie wieder braun zu färben. Zusammen mit meiner „weißen“ Haut und meinen großen Augen haben sie viel von meinem „Andersein“ ausgemacht. So hatte es für mich fast schon eine besondere Bedeutung, dass sie angefangen haben uns diese Namen zu geben, da es ein Ausdruck des Akzeptierens war, ein Ausdruck dafür, dass wir ein Teil ihrer Gemeinschaft geworden sind, dass wir „Normalität“ geworden sind und darüber bin ich auch jetzt noch unglaublich froh. Dafür akzeptiere ich gerne diese ganzen Spitznamen.

Das Verhältnis zwischen uns und den Jungs ist mittlerweile sehr freundschaftlich und genau so, wie wir freundschaftlich nett zu einander sind und uns gut verstehen, genau so freundschaftlich ärgern wir uns auch gegenseitig. Dementsprechend darf man auch nicht alle ihre Kommentare zu ernst nehmen. Außerdem dürfen sie sich von uns genau so den ein oder anderen Spruch anhören, um das mal klargestellt zu haben.

Auch wenn es erstmal recht unfreundlich und gar nicht nett klingt, wenn ich erzähle, dass es Alltag ist, als „fat“ oder „dinosaur“ bezeichnet zu werden, es ist nicht weiter schlimm und ich nehme es nicht persönlich. Wirklich nicht. Es auch nicht einfach nur Gewohnheit, vielleicht ein wenig. Es ist eine gewisse Akzeptanz, dass wir nicht in ihr Schönheitsideal passen, zumindest nicht mit unseren Proportionen.

Auf eine gewisse Art und Weise haben diese ganzen Kommentare, die natürlich anfangs schon „verletzend“ waren, denn so etwas bekommt man in Deutschland eben nicht regelmäßig offen an den Kopf geworfen,  mir eine gewisse Gelassenheit gegeben. Es regt mich nicht mehr auf und vor allem akzeptiere ich mich selbst so, wie ich bin.

Die Überschrift für diesen Blogeintrag stammt übrigens aus einem Gespräch mit einem Freund, der Schüler der Einrichtung ist. Als er diesen Satz „Because you are not fat anymore“ zu mir sagte, musste ich mich wirklich sehr zusammenreißen, um nicht total laut loszulachen, denn wir waren gerade beim Rosenkranzgebet. Es ist ein Zeichen für den wie ich finde typisch vietnamesischen Charme: er meint es wirklich nur lieb, aber es klingt nicht so ganz danach.