6.750 Kilometer weit weg!

Unser Jahr in Hyderabad

Beppo der Straßenfeger und erste Eindrücke

Hallöchen alle zusammen,

nun sind schon ein paar Tage seit unserer Ankunft am Dienstag vergangen. Da wir bis jetzt noch sehr viel Freizeit hatten, konnten wir uns schon ein wenig einrichten und so kommt uns unser anfänglich doch schockierendes Zimmer gar nicht mehr so schlimm vor – ja, wir fühlen uns sogar schon ein bisschen heimisch unter unseren grünen Moskitonetzen.

Am zweiten Tag haben uns die Jungs die Einrichtung gezeigt, ihre verschiedenen Arbeits- und P1000090Lernplätze an denen sie Tag täglich viel Zeit verbringen. Es war berührend zu sehen, wie stolz die Jungs auf ihre Arbeit sind und wie gerne sie uns herumgeführt haben. Sie hatten sehr viel Spaß daran, uns Dinge beizubringen, wie beispielsweise eine Teigkugel zu kneten und zu formen ist (gar nicht so einfach, wie man denkt :)).

Die Fathers und Brothers sind total nett zu uns und bemühen sich stets, damit wir uns hier wohl fühlen. So steht bei jeder Mahlzeit selbstgebackenes Brot, Marmelade und gestern sogar Pommes mit Ketschup („die deutsche Soße von Heinz“) bereit. Aber wir sind ja nicht hier, um das Gleiche zu essen wie in Deutschland, auch wenn wir uns an vieles noch gewöhnen müssen (z.B. dass auch zum Frühstück Reis mit sehr scharfer Soße gegessen wird). Mit nur der rechten Hand (!) zu essen, war am Anfang sehr seltsam aber auch darin sind wir nun schon halbe Profis.

Besonders Father John ist uns bereits ein wenig ans Herz gewachsen. Wir nennen ihn gerne unseren persönlichen Kulturlehrer. Mit ihm haben wir uns schon viel unterhalten und auch viel gelernt, wie z.B. über das Kastensystem in Indien, das man hier in Ramanthapur kaum zu spüren bekommt, weil alle Jungs gleich behandelt werden.

Ab übermorgen startet nun endlich unser Programm. Wir werden die Jungen in Mathe und in Englisch oder Naturwissenschaften unterrichten, während der Game-Time mit ihnen spielen, bei den Workshops mithelfen (z.B. in der Bäckerei, Schneiderei oder im Computerraum) und ihnen das Essen austeilen. Aber zuvor werden wir uns morgen noch die anderen Einrichtung in Hyderabad ansehen.

In unserer Stadt spricht man Telugu und trotz unseren Englischkenntnissen ist die Kommunikation gar nicht so einfach. Der indische Akzent ist für uns einfach manchmal noch etwas schwer zu verstehen. Deswegen werden wir ab nächster Woche dann täglich Teluguunterricht erhalten. Die Jungs sind aber auch schon sehr gute Lehrer, die uns immer wieder herausfordern (nur einen Test haben wir bei ihnen noch nicht schreiben müssen 😉 ).P1000064

Momentan befinden wir uns noch in der Monsunzeit, weshalb es hier zurzeit sehr stark regnet. Zum Glück haben wir uns schon darauf vorbereitet und uns ein paar regenfeste Kleidungsstücke mitgenommen. Die Jungs haben großen Gefallen an unseren Gummistiefeln gefunden 🙂 .

Mittlerweile haben wir auch schon unsere ersten Stromausfälle hinter uns, was beim Wäschewaschen in unserem dunklen Bad nicht gerade von Vorteil ist. Wir denken, dass diese mit dem sehr starken Regen zusammenhängen.

Auch wenn alles für uns bisher sehr aufregend und abenteuerlich sein mag, ist es für uns auf der anderen Seite dennoch sehr schwer, so weit weg von zu Hause zu sein. Zu wissen, dass wir die meisten unserer lieben Menschen ein Jahr lang nicht zu Gesicht bekommen werden, können wir immer noch nicht wirklich begreifen.

In den letzten Tagen hatten wir wenig zu tun, sodass wir zu viel Zeit zum Nachdenken hatten und uns somit das kommende Jahr viel zu lang vorkam. So haben wir uns immer wieder Beppo den Straßenfeger aus „Momo“ zum Vorbild genommen. Man darf niemals an die ganze Straße – in unserem Fall an das ganze Jahr –, sondern nur an den nächsten Besenstrich – an unsere kommende Aufgabe und den nächsten Tag – denken.** Wir sind zuversichtlich, dass sich das Heimweh mit dem kommenden Tagen und den nun anstehenden Aufgaben größtenteils legen wird.P1000049Eure Eva und Sarah

 

**Beppo Straßenfeger erzähl seiner Freundin Momo sein Geheimnis:

„Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. Man denkt, die ist so schrecklich lang; das kann man niemals schaffen, denkt man. Und dann fängt man an, sich zu eilen. Und man eilt sich immer mehr. Jedes Mal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt.

Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst zu tun und zum Schluss ist man ganz außer Puste und kann nicht mehr. Und die Straße liegt immer noch vor einem. So darf man es nicht machen. Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du?

Man muss immer nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.

Auf einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht außer Puste. Das ist wichtig.“

(Michael Ende)

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1 Kommentar

  1. Liebe Eva,
    wie schön von Dir zu lesen und mit Dir in diese andere Welt aus der Ferne ein bisschen mit hinein zu spinksen. Danke für die kleinen Einblicke. Heute morgen habe ich einen Kunst am Bau Wettbewerb abgeschickt, uff, dass ist immer eine Erleichterung. Und der von mir gewählte Titel für die Skulptur (so drei Trichterformen) heißt „Ausblicke – Einblicke“. Ein bisschen passt das vielleicht auch für Euch. Mit den Einblicken die Ihr sammelt, gewinnt Ihr auch Ausblicke, vielleicht für größere Zusammenhänge, für Euch selber…. auch wenn es im Moment noch etwas Zeit braucht. Ich wünsche Dir viele neue Einblicke und gute Erfahrungen, Du bist bestimmt eine gute „Lehrerin“, soviel Humor wie Du hast !
    Noch eine Frage: Warum gibt es denn so viele „Jungs“ Häuser und erst ein Haus mit Mädchen? Weißt Du das?
    Also, Kopf hoch, viele Gedanken begleiten Dich!
    Alles Gute, Deine Regina

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