Mit Don Bosco in Duékoué

Franzi in der Elfenbeinküste

13- Lascierie oder willkommen in Mali

Mit Jacques, dem Doktor aus Mali, der mir ein guter Freund geworden ist, habe ich gerade in den letzten Wochen meine freie Zeit gefüllt. Ob beim Gitarre spielen mit 5 Saiten (keiner von uns beiden kann es, wir spielen nur mit einem Finger und stimmen die Saiten so, wie es zu der malischen Musik auf Jacques Handy am besten passt 😀 ), beim „Kirikou“ schauen (eine wunderbare Zeichentrickfilmreihe auf westafrikanischen Märchen basierend für Klein und Groß) oder bei einem Ausflug wie am Sonntag. Von diesem Tag möchte ich euch gerne erzählen.

Lascirie

Lascirie – einsame Hütte

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Wir sind in das Dorf Lascierie (nach dem Sägewerk benannt, das es dort einst gab) gefahren, knapp 10 Kilometer von Duékoué entfernt. Ich hab Jacques gefragt, wann der Minibus abfährt. Er hat mir keine Antwort gegeben, also hat er das wohl im Griff. Kurz darauf habe ich verstanden, warum es keine Antwort auf die Frage gibt. Wir sind ein ganzes Stück gelaufen, aus Duékoué raus an eine „Autobahn“ und haben dort gewartet. Direkt neben der Straße gibt es einen kleinen Ziegen- und Schafsmarkt. Wer (ver-)kauft denn bitte an einer Straße Tiere? 😀
Bushaltestelle: Fehlanzeige. Wenn man in der Elfenbeinküste reisen möchte, dann sollte man die ungefähre Richtung kennen, denn man muss sich an die richtige größere Straße stellen und auch an der richtigen Straßenseite warten. Man steigt dort ein, wo es einem passt und steigt genau so wieder aus. Für längere Reisen (z.B. nach Abidjan) gibt es aber große Reisebusse, die jeden Tag fahren und nur an bestimmten Orten halten. Das funktioniert wie die Fernbusse in Deutschland. Busse werden hier viel gebraucht, weil ich noch keinen einzigen Zug in der Elfenbeinküste gesehen habe (es gibt zwar ein paar Gleise aber nicht mitten im Land und die Bahn fährt auch nicht jeden Tag). Eine Straße ist im Prinzip die einzige Möglichkeit, um von A nach B zu kommen. Die Elfenbeinküste hat Westafrikas bestes Verkehrsnetz. Das erstaunt mich etwas, wenn ich mir die Straßen hier anschaue.

Aus dem noch fahrenden Kleintransporter springt ein Mann raus. Nachdem geklärt ist, wo wir hin wollen und dem Fahrer das nicht passt, fährt er ohne uns weiter. Nur kurze Zeit darauf kommt der nächste Bus, Jacques schreit ihm „Lascirie“ zu und 2 Sekunden später befinden wir uns in einem kaputten, viel zu alten Kleintransporter. Ich muss mich bei dem Fahrstil echt festhalten, wenn ich nicht aus der offenen Tür rauspurzeln will. Es gibt immer wieder Straßenkontrollen. Da steht dann ein kleines Häuschen mit ein paar Polizisten und auf der Straße wird eine Straßensperre mit Stacheln hin- und hergerollt.
Vor genau so einer Kontrolle hat der Mitfahrer noch schnell das Kennzeichen mit Blättern und Zweigen verdeckt, wieso auch immer. Ich bin schon davon ausgegangen, das wir angehalten werden, weil es die Polizisten immer besonders interessiert, die Weißen zu durchsuchen. Doch wir durften weiterfahren. Auch wenn wir mit dem Jeep der Missionsstation unterwegs sind, müssen wir nie anhalten, weil wir ein oranges Diplomatenkennzeichen haben. Das ist sehr praktisch.
Für die 20-minütige Fahrt zahlen wir zu zweit 1,50€.
Wir gehen zu Jaques Freunden, es ist eine Familie aus Mali. Wir werden freundlich von allen Willkommen geheißen. Meistens verneigen sich die Menschen vor mir, das ist mir unangenehm. Also verneige ich mich auch vor Ihnen, selbst wenn sie das nicht erwarten. Zu allererst bekommen wir Wasser. Aber nicht jeder aus einem Glas, nein, ein „Napf“ wird reihum gegeben.

Doktor Jacques und der "Alte"

Doktor Jacques und der „Alte“

Jacques spricht fast die ganze Zeit mit der Familie in ihrer Stammessprache und ich verstehe zwar absolut nichts, aber es ist wirklich spannend und schön, diese  für mich fremden Klänge zu hören. Sie sind wie Musik in meinen Ohren. Die Familie und auch Jacques gehören dem Stamm der Bobo an, also sprechen sie Bobo. Immer, wenn ein neues Familienmitglied kommt, gibt es das gleiche Schema: Es wurde sich begrüßt mit ganz vielen Fragen und Antworten. Das ging so schnell hin und her. Noch bevor der andere geantwortet hatte, kannte man das, was er sagen würde, weil es ein gut einstudiertes Begrüßungsritual ist. Man erkundigt sich nach dem Wohlergehen und Neuigkeiten des Gasts, der Familie und des Dorfes. Manchmal geht es auch noch um die Ernte.
Etwas später gibt es dann Tee. Wasserkocher an, Teebeutel und heißes Wasser in die Tasse und ziehen lassen. Nicht ganz, das läuft hier anders ab. In einem kleinen Kännchen wird Wasser auf offenem Feuer erwärmt, der grüne Tee nach einiger Zeit hinzugegeben. Nun wird der Tee circa 20 Mal in ein Glas gekippt und wieder zurück in die Kanne. Dadurch bildet sich eine schöne Schaumkrone und der Tee soll an Bitterkeit verlieren. Es wird ganz viel Rohrzucker dazu gegeben und wiederum wird der Tee mehrmals umgegossen . Der „Teemeister“ probiert vorsichtig, ob die Stärke gut ist. Dann dürfen die Gäste zuerst trinken. Natürlich wieder alle aus dem gleichen Glas, einer nach dem anderen. Der Tee wird eher geschlürft. Ich weiß das nicht. Die Familie ist aber sehr tolerant mit mir. Zum Glück, denn wahrscheinlich bin ich in 1000 Fettnäpfchen getreten, ohne es zu wissen. Die Kultur und Lebensweise ist mir so fremd.
Das Tee-Zubereiten und -trinken dauert etwa 1 ½ Stunden, es ist eine richtige Zeremonie -eben eine Teeparty. Nachdem wir mit dem ersten Teetrinken fertig sind, folgt Runde 2. Der Geschmack des Tees ist schon viel schwächer. Normalerweise sind 3 Runden üblich, doch dafür fehlt uns die Zeit. Man sagt, das erste Glas ist  stark wie der Tod, das zweite weich wie das Leben und das dritte so süß wie die Liebe.

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Die Familie, die wir besucht haben, Opa und Oma, haben nur eine Tochter. Das ist schlecht, denn in ihrer Kultur bleiben Töchter nicht zu Hause, sie ziehen zum Mann. Wenn man einen Sohn hat, dann kommt seine Frau zu ihm ins Heimatdorf und kann die Schwiegermutter im Haushalt unterstützen.
Die beiden Alten sind also alleine. Deswegen haben sie ihre Enkelin gefragt, ob sie bei ihnen wohnen will, um auf dem Feld und im Haushalt zu helfen. Die Bitte kann die Enkeltochter nicht ablehnen, deswegen lebt sie getrennt von ihren Eltern bei ihren Großeltern und kann die Schule nicht besuchen. Das ist traurig und gravierend, denn sie ist ungefähr 12 Jahre alt (so genau weiß das keiner) und kann nicht einmal zählen. Sie wird ihr Leben lang keine Schule besuchen und für immer Hausfrau bleiben. Unglücklich -nein, so wirkt sie nicht. Sie kennt es eben nicht anders. Bei ihren Großeltern geht es ihr gut.

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Das Enkelkind holt Wasser aus dem Brunnen im Hof

 

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Oma und Enkelin beim Abwasch vor dem Haus

In dem Dorf, gibt es eigentlich keinen Strom. Doch hier sind Solaranlagen relativ preiswert, deswegen können sich einige Familien eine Platte auf dem Dach leisten, um zumindest Fernsehen schauen zu können.

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Die Familie hat uns eingeladen, bei ihnen zu übernachten. Und weil sie die erste Familie sind, die ich besuche, erklären sie mir ihr Haus als mein zu Hause. Ich bin dort immer willkommen und sie sind meine Familie. So viel Herzenswärme und Gastfreundschaft hat mich echt überwältigt.
Nachdem wir dann Palmwein getrunken haben (das ist wirklich gewöhnungsbedürftig und hat bei mir ganz schön reingehauen), kommt der Alte mit einem Huhn an, dass er mir dann in die Hände drückt. Meine Oma hat zwar Hühner, aber angefasst habe ich noch nie eins. Ich bin ganz schön überfordert und verwundert, so ein Huhn kopfüber halten zu müssen. Erst denke ich, er will mir einfach nur seine Tiere zeigen, so wie ich zuvor schon den kleinen Schweinestall anschauen konnte. Aber nein, so schnell darf ich das Huhn nicht wieder hergeben. Es ist ein Geschenk für mich. Ich soll es mit nach Hause nehmen und schlachten. Ihr könnt euch glauben, wie ich mich gefreut habe.  So ein außergewöhnliches und lebendiges Geschenk hab ich noch nie bekommen. Dazu gibt es noch Bohnen, eine Art Erbsen und 2500 Francs (3,80€), damit wir uns Bier kaufen können.

(M)ein afrikanisches Huhn - sie sind etwas kleiner als die Hühner, die ich vorher kannte

(M)ein afrikanisches Huhn – sie sind etwas kleiner als die Hühner, die ich vorher kannte

 

Wir sind mit dem Alten noch ein bissch

Streicheln - Nein, danke

Streicheln – Nein, danke

en durch die umliegenden Felder gelaufen und durch das Dorf. Alter bedeutet hier wirklich Weisheit. Alte Menschen werden mit viel Respekt behandelt und ihre Geschichten sind wichtig. Der Alte hat uns zum Beispiel Kräuter und Wurzeln gezeigt, die als Medizin verwendet werden.
Alle Menschen haben und freundlich willkommen geheißen. Bei einigen haben wir einen Zwischenstopp gemacht. Es ist dann ganz wichtig, sich hinzusetzen. Selbst wenn es nur für 30 Sekunden ist, muss man Platz nehmen. Damit legt man als Mann die Verlobte ab. Ich weiß nicht, ob ich das ganz richtig verstanden habe. Mir wurde erklärt, dass die Verlobte vor der Hochzeit zu einem Tutor geschickt wird, wo sie mindestens 2 Wochen bleibt. Wenn der zukünftige Mann sich bei diesem Mann zuvor nicht hingesetzt hat, wird die Verlobte ausreißen und versuchen zu fliehen. Wer also sein Mädchen nicht verlieren will, der nimmt sich lieber die Zeit, kurz Platz zu nehmen.

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Spielende Kinder am Bach

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Haustiere

Haustiere

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Mann auf dem Dach freut sich darüber, eine Weiße zu sehen und noch mehr, von ihr fotografiert zu werden

Mann auf dem Dach freut sich darüber, eine Weiße zu sehen und noch mehr, von ihr fotografiert zu werden

Voilà die Küche

Voilà die Küche

 

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Gründächer gibt es auch – ich habe gehört, sie sind hier etwas preiswerter als in Europa

 

eine bunte Wäscheleine

eine bunte Wäscheleine

 

Meine Lieblingshütte

Meine Lieblingshütte

Wir haben einen schönen Sonnenuntergang gesehen. Natürlich gibt es auch in Deutschland schöne Sonnenuntergänge, aber hier war es ein unglaubliches Farbenspektakel.
Nachdem uns dann die ganze Sippschaft an die große Straße begleitet hat, die am Rand des Dorfes vorbeiläuft – sonst gibt es im ganzen Dorf keine Straßen – und es schon dunkel geworden ist, konnten wir nach längerem Hin und Her mit einem Taxi nach Hause fahren –  im Gepäck natürlich das Huhn, das während der Fahrt anständig war.
Am übernächsten Tag soll unser Nachtwächter meinem Huhn den Kopf abhauen. Und dann werden wir es wohl bald essen. Keine schöne Vorstellung.

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Jacques ist diese Woche leider zurück nach Mali gegangen.  Schon nach 2 Monaten muss ich zum ersten Mal „Auf Wiedersehen“ sagen und frage mich, ob es jemals ein Wiedersehen geben wird. Mali ist ja nicht gerade ein Katzensprung. Von hier aus dauert die Reise schon mindestens 2 Tage. Von Deutschland brauch ich da gar nicht erst anzufangen.

Jacques und ich an seinem letzten Tag in der Elfenbeinküste

Jacques und ich an seinem letzten Tag in der Elfenbeinküste

 

Immer noch überwältigt von vielen neuen Eindrücken, Menschen, Bräuchen und so viel Herzenswärme werde ich diesen Tag gerne in Erinnerung behalten.

Eure Franzi

P.S. Vielen Dank für euer großes Interesse an meinem Blog! Es ist schön zu wissen, dass mich so viele Menschen begleiten und ich mit euch meine Erlebnisse aus der Elfenbeinküste teilen kann! Ich freue mich über eure Kommentare, Anregungen und Fragen 🙂

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  1. Erna Uhl

    Liebe Franziska, sehr spannend finde ich Deine Berichte. Es ist eine andere Welt. Gerne denke ich dabei an unsere Indienreise zurück, die wir vor genau 21 Jahren unternahmen. Fremd und neu war alles, trotz des Studierens dieser anderen Kultur.
    Wir wünschen dir alles Liebe und Gute, viel Gesundheit und immer wieder neue positive Erfahrungen.
    Gott behüte Dich! Horst und Erna Uhl

  2. Sophie, Saskia & Thomas

    Liebe Franzi,

    auch wir lesen sehr neugierig Deinen Blog und finden es sehr spannend was Du alles so erleben darst. Dank Dir bekommen wir einen tollen Einblick in eine andere Welt.

    Wir wünschen Dir alles Gute!

    Viele liebe Grüße von uns dreien.

  3. Marietta Lang

    Hallo Franzi! Ich muss jetzt noch lachen über die Geschichte mit dem Huhn. Du als Ex-Vegetarier und ein Huhn! Die Erzählung über den Besuch bei Jacques Verwandten hat mir sehr gefallen. Wir lernen so viel Neues von der Welt. Viel Glück und Gesundheit weiterhin. Wir denken an dich. Gruß auch von Oma. Sie hat auch aufmerksam gelesen und sich gefreut von dir zu hören. Herzliche Grüße von Marietta und Matthias

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