Letzte Woche Samstag hatten wir einen besonderen Anlass zu zelebrieren. Agyaa, unser Mann im Oratory, der uns immer mit Rat und Tat zur Seite steht, hat seine Hochzeit gefeiert. Wenn man in Ghana heiratet ist es Brauch zuerst ein traditionelles Hochzeitsfest zu veranstalten und später kirchlich die Ehe zu besiegeln. Vielleicht kann man die traditionelle Hochzeit mit der Verlobung in Deutschland vergleichen. Die Trauung geschieht dann in der Kirche vor dem Altar. An diesem Tag wird das Einverständnis beider Familien des Hochzeitspaares zur Trauung erbeten und sich gegenseitig beschenkt.

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Das Hochzeitspaar

Die Vorbereitungen begannen ungefähr drei Wochen vor der Feier. Doris, eine gute Freundin und ich haben mit den Mädchen vom Oratory zwei Tänze einstudiert. Fast jeden Tag wurde fleißig geübt bis die Tanzschritte saßen. Auch um ein passendes Geschenk mussten wir uns kümmern.  Hierfür veranstalteten Julian und ich im Oratory gemeinsam mit Agyaa, Father Chichi und Brother John ein kleines Fotoshooting. Die Bilder rahmten wir ein und schon hatten wir unser Geschenk.  Ach ja und dann brauchten wir natürlich noch ein passendes Outfit. Dafür hatten Doris und ich uns etwas Besonderes überlegt: Wir beide wollten im Partnerlook auf die Hochzeit gehen J Deswegen sind wir drei Tage vor der Hochzeit zusammen nach Sunyani gefahren um das passende Material zu kaufen. Für mich ist es immer wieder spannend was die ghanaischen Frauen und Männer hier tragen. Es kommt eigentlich nie vor, dass jemand das gleiche wie der andere trägt. Ein Kleid oder einen schönen Anzug , wie den von mir und Doris, sind für ein Frau zu einem solchen Anlass  Pflicht. Hält man sich nicht an den Dresscode, kann schnell mal getuschelt werden….Letztens habe ich zum Beispiel gelernt, dass je nachdem wie hoch  die Männer ein bestimmtes Kleidungsstück tragen, es ein Zeichen von Respekt gegenüber der anderen Person ist.

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Die Mädels beim Tanzen

 

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Viele Gäste sind gekommen, da gibt es eine bunte Farbenpracht an Stoffen zu sehen

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Partnerlook 🙂

Während des Programmes wurde viel Geld für das Brautpaar gesammelt, meistens in Form von einer Art Versteigerung. Die Aufgabe des Bräutigams war es zum Beispiel die Behälter mit den Dingen zu halten, die versteigert werden sollten. Ansonsten saßen die beiden Eheleute auf ihren Plätzen und haben das Programm mehr oder weniger schweigend über sich ergehen lassen. Der Höhepunkt war der Ringwechsel, wo auch eine Art Eheversprechen stattgefunden hat. Insgesamt war es eine ausgelassene Feier mit viel Tanz, Musik und ganz vielen Oratorians, die zu meiner Freude auch alle eingeladen und gekommen waren.

Oratory, was passiert da gerade eigentlich?! Vor einiger Zeit haben wir Unterstützung von drei Aspiranten (eine Vorstufe zum Salesianer) bekommen, die uns nun am Montag und Mittwoch zur Seite stehen. Dadurch, dass sie die lokale Sprache sprechen, ist es sehr hilfreich bei den Gebeten die Kinder ruhig zu stellen und die Good Night-Impulse, die wir halten zu übersetzen. Für mich erleichtert die Präsenz der Aspiranten die Arbeit im Oratory sehr, da wir alle Aufgaben nun auf mehrere Leute aufteilen können.

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Endlich haben wir nach den Osterferien auch die „classes“ gestartet. Kleine Unterrichtseinheiten, in denen die Aspiranten, Julian und ich die Kinder unterrichten. Ich unterrichte die Klassen 3 und 4. Ich habe mich sehr auf diese neue Arbeit gefreut und die Herausforderung, die sie mit sich bringt. Eine Herausforderung ist es wahrlich. Manchmal ist es nicht einfach eine Horde 12-14 Jähriger ruhig zu stellen und ihnen nachhaltig Wissen zu vermitteln. Dass jedes mal wieder andere Kinder in die Klasse kommen, macht es nicht unbedingt einfacher! Trotzdem macht es mir Spaß! Zudem es immer wieder Kinder gibt, die sehr lernwillig und ehrgeizig sind. Durch eine Mischung zwischen (interaktivem) Frontalunterricht und verschiedenen Spielen versuche ich den Kindern zum Beispiel zu vermitteln was ein Nomen, ein Verb oder ein Adjektiv ist. Ich hoffe, dass ich im Laufe der Zeit Überblick über die Kinder bekomme, die regelmäßig kommen und herausfinde wie ich die Stunden am besten und effektivsten gestalten kann! Ich bin gespannt…

Jeden Tag macht es mir Spaß ins Oratory zu gehen. Es ist so bunt, jeden Tag passieren neue Sachen, die Kinder sind  dankbar für diesen Ort. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht Kinder, die ich auf der Straße treffe, ausdrücklich ins Oratory einzuladen. Letztens habe ich eine kleine Gruppe von Kindern getroffen, welche ich gleich eingeladen habe. Am selben Tag wollte sie mich nicht zum Oratory begleiten, am nächsten Tag sind dann jedoch alle gekommen. Dass ich die Kinder mit ihren Namen willkommen geheißen habe, hat ihnen meines Eindrucks nach gleich das Gefühl von „Ach, die hat ja Interesse an mir!“ gegeben. Solche Momente zeigen mir immer wieder, dass die Arbeit gut ist, die ich hier tue. Auch durch kleinere Aktionen wie das Malen mit Straßenmalkreiden kann man die Augen der Kinder zum Leuchten bringen. Was für Freude die Ausgabe von 4 paar neuen Inlinern ausgelöst hat, davon mag ich erst gar nicht reden. Eine Mischung zwischen freudiger Euphorie und sehr großem Interesse, die in einem großen Gerangel um die Skates ausgeartet ist…

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Eine meiner Bastelaktionen

Trotz allem begegne ich im Oratory auch Armut und Leid. Immer wieder fordern mich die Kinder auf etwas zu essen zu kaufen. Letztens habe ich einen kleinen Jungen gefragt, ob er heute schon etwas gegessen habe. Daraufhin schüttelte er traurig seinen kleinen Kopf. Mir fällt es immer wieder unglaublich schwer damit umzugehen. Ich kenne das Gefühl Hunger zu haben nicht. Ich musste mir als Kind nie Sorgen um Essen machen. Meine Eltern haben sich darum gekümmert, es wurde einfach vor mich auf den Tisch gestellt, manchmal lehnte ich es sogar ab. Manchmal höre ich von Kindern, dass sie nicht nach Hause kommen dürfen, bevor sie sich etwas zu Essen besorgt haben. Hier ist es zum Glück nicht so, dass die Kinder hungern müssen. Die Eltern kümmern sich darum, dass die Kinder etwas zu Essen bekommen. Trotzdem nimmt das Thema Essen und „Wie komme ich daran?!“ einen großen Teil der Kindheit ein und bereitet den Kindern immer wieder Kopfzerbrechen. Ich glaube ich werde mir in meinem Leben wahrscheinlich nie Sorgen um Essen machen müssen. Irgendetwas ist immer da und um Geld um mein täglich Brot zu finanzieren, muss ich mir hoffentlich auch nie Sorgen machen. Ansonsten bin ich mir der Unterstützung meiner Eltern sicher, für die ich unglaublich dankbar bin.

Um den Kindern zumindest an einem Tag diese Sorge zu nehmen, habe ich beschlossen von einem Teil meiner Spendengelder ein Essen im Rahmen einer kleinen Feier für alle Kids zu spendieren… Dazu aber mehr in einem weiteren Blogartikel.

Letzten Samstag habe ich meine kleine Freundin  Isabella zum zweiten Mal in ihrem Familienhaus besucht. Das Mädchen habe ich im Oratory kennengelernt. Isabella  ist ein Kind, das mich sehr beeindruckt. Sie ist 12 Jahre alt und für ihr Alter sehr reif. Stolz hat sie mir ihre Familie vorgestellt. Gemeinsam habe ich mit ihrer Familie Zeit verbracht, zusammen gegessen, mit  ihren Brüdern gespielt und geredet.

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Da Isabella nur jüngere Brüder in ihrem Familienhaus hat, muss sie ziemlich viel zuhause mithelfen. Von Kochen, über das Reinigen der Kochutensilien, Waschen der Kleidung, Putzen des Hauses, Einkaufen,… ist sie sehr in die Arbeit im Haushalt eingespannt. Das ist auch der Grund warum sie häufig keine Zeit hat ins Oratory zu kommen. Als ich ihr geholfen habe Wasser an der 5 Minuten entfernten Wasserstelle zu holen, hat sie mir erzählt, dass sie diesen Weg  10 mal am Tag zurücklegen muss. Als ich ihr half den Eimer zurück zum Haus zu tragen, war ich schon nach diesem kurzen Weg völlig aus der Puste, wobei ich mindestens dreimal stärker gebaut bin als Isabella selbst. Das hat mir erst richtig bewusst gemacht, wie viel das Kind eigentlich leisten muss.

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Beim Wasser holen, aus dieser Wasserstelle kommt das Trinkwasser für die Familie

Stolz mit ihrer weißen Freundin an ihrer Seite, hat sie mich einige ihrer Familienmitglieder in Odumase vorgestellt. Zusammen sind wir durch einen Teil Odumases gegangen und ich habe von  der Schwester der Großmutter, bis hin zur Tante und des Onkels  einen Teil ihrer großen Familie kennenlernen dürfen. Die Familienbeziehungen zwischen den Ghanaern  sind für mich nach wie vor ziemlich schwer zu durchblicken. Da gibt es eine Schwester und die ist wiederum die Schwester von der Großmutter….manchmal habe ich das Gefühl das ganz Odumase irgendwie miteinander verwandt ist J. Nebenbei hat mir Isabella eine ganze Menge über die Geschichte von Odumase erzählt und den Vormittag für mich sehr lehrreich gemacht. Ich habe Isabella viele Fragen gestellt und sie hat mir diese alle aus ihrer kindlichen Sichtweise beantwortet und mir auch Ratschläge gegeben zum Beispiel, dass ich „den Ziegenkopf vor dem Königshaus von Odumase jetzt lieber nicht fotografieren sollte, da das bei den Leuten nicht gut ankommen würde“. Mich hat es verblüfft wie viel die kleine große Isabella wusste. Als wir am Ende unseres kleinen Ausflugs zusammen im Oratory saßen, hat sie mir noch eine Menge über die Geschichte Ghanas erzählt. Da sprudelte es nur so aus ihr heraus. Ich hatte teilweise Schwierigkeiten ihr zu folgen, da sie so schnell ihr Wissen zum Besten geben wollte. In einem im Vergleich zu ihrer Altersgruppe sehr guten Englisch, informierte sie mich über die ehemaligen Präsidenten Ghanas, die Entstehung der Unabhängigkeit und vieles mehr. Isabella ist ein kluger Kopf! Sie will mehr lernen. Sie hat eine Zukunft verdient, in der sie sich entfalten kann! Das Problem sind nur die Schulgebühren, die sie nicht immer bezahlen kann und die es ihr teilweise unmöglich machen die Schule zu besuchen… Deswegen ist es mir ein großes Anliegen sie weiter zu fördern und auch finanziell zu unterstützen. Wer sich dazu berufen fühlt Isabella zu helfen, durch Sachspenden oder auch finanziell kann sich gerne mit mir in Kontakt setzen!

Der Name des Mädchens wurde aus Sicherheitsgründen geändert.

Dies ist nur ein kleiner Bruchteil von dem was ich hier  erlebe. Ich hoffe, dass euch die Länge des Blogartikels nicht erschlägt und der nächste Artikel bald folgen wird :).

In diesem Rahmen möchte ich mich ganz, ganz herzlich für alle Spenden bedanken, die bis jetzt auf meinem Konto eingegangen sind. Ich bin mir sicher, dass ich das Geld zur Freude aller Kinder im Oratory richtig einsetzen kann. Über den Einsatz der Spenden werde ich euch bald in einem weiteren Blogartikel auf dem Laufenden halten. So viel ist sicher: Die Anträge sind gestellt, jetzt fehlt nur noch die offizielle Zustimmung. Vielen Dank!

Liebe Grüße,

Cäcilia