„Cecilia! Cecilia!“, „Obruni!, Obruni!“. Kaum bin ich im Oratory angekommen, werde ich gleich von einer Horde Kinder begrüßt, die aufgeregt und freudig auf mich zu stürmen. Die kleinsten Kinder klammern sich wie kleine Äffchen an meinen Beinen fest oder strecken die kurzen Arme nach mir aus. Mit nur einem Ziel: „Fa me!“  Einmal von mir getragen zu werden.  Die größeren Kinder begrüße ich mit Handschlag und „How are you?“ oder in Twi mit „Ätä sen?“ (so wird es ausgesprochen). Meine Haut wird gestreichelt, es wird durch mein Haar gewuschelt,  meine Hand wird genommen. Kaum bin ich da, wird alles stehen und liegen gelassen und ich stehe im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

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Die Kinder, die mir hier entgegenkommen, sind alle unterschiedlichen Alters. Es gibt Babys, die von der Schwester im warmen, sicheren Tragetuch getragen werden. Kinder im Kindergartenalter, die nur Twi und kein Wort Englisch sprechen können und überglücklich sind, wenn sie ein Spielzeugauto in der Hand haben, auch wenn es zur Hälfte kaputt ist. Coole Fußballjungs um die 16 Jahre, die Mädchenclique, die sich meistens auf den Bänken im Garten trifft und viele, viele andere Kinder.  Mittlerweile kenne ich schon viele Kinder beim Namen, aber es gibt immer wieder neue Gesichter, die ich noch nie gesehen habe. „Uo dinde de sen?“ – „Wie heißt du?“  ist deswegen auch einer meiner meist gestellten Fragen an die Oratorykinder.  Glücklich, dass ich etwas in ihrer Sprache sage, flüstern mir die Kleinsten ihren Namen in mein Ohr, während die Großen sich stolz mit ihrem Namen vorstellen.

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Das ist einer kleiner Auszug dessen wie das Oratory leibt und lebt. Hier ist kein Tag wie der andere. Irgendetwas Überraschendes passiert immer. Das ist eines der Gründe warum ich hier so gerne hingehe. Entweder sind es neue Kinder, die kommen, die Anzahl der Kinder ist überraschend hoch oder niedrig, Gespräche, die entstehen oder eine riesen Wasserschlacht, die einfach so spontan entstanden ist und vieles mehr.

Die Mädelsqlique und gleichzeitig ein tolles Fußballteam, in das ich schon zur Belustigung mancher Mädels integriert bin

Die Mädelsqlique und gleichzeitig ein tolles Fußballteam, in das ich schon zur Belustigung mancher Mädels integriert bin

Bevor ich berichte wie mein Arbeitsalltag aussieht und was genau ich tue, ist es wichtig die Frage zu beantworten, die sich vielleicht einige stellen: Was ist denn eigentlich ein Oratory? J

Beim sogenannten  Oratorium handelt es sich um den traditionellen Namen der von Don Bosco ersten gegründeten Erziehungseinrichtung.  Das Ziel Don Boscos war es Kindern und Jugendlichen einen Platz zu geben um den Grundbedürfnissen derer nachzukommen und sie in ihrer ganzheitlichen Entwicklung zu unterstützen.  Das Oratorium war nicht nur ein Gebets- und Gottesdienstraum, sondern sollte auch ein Ort zum Spielen und Erholen bieten und den jungen Menschen eine Möglichkeit geben zu lernen und sich zu bilden. Bis heute wird diese Idee Don Boscos von den Salesianern in Oratorien weltweit umgesetzt und das Angebot von Kindern und Jugendlichen erfolgreich genutzt.

(Bilder vom Oratory sind unter dem Button „Mein Projekt“ zu sehen.)

Auch „mein“ Oratory soll ein solcher Ort für alle Kinder und Jugendlichen sein.  Zentral neben der katholischen Kirche der Salesianer  „Mary Help of Christians“ gelegen, ist es für die meisten Kinder aus Odumase gut erreichbar. Das Oratorygelände besteht aus einer großen Mehrzweckhalle und dem angrenzenden Garten mit Spielplatz, verschieden Spielmöglichkeiten wie Tischtennis und – ganz wichtig J – dem Fußball- und Basketballfeld. Neben der Halle befindet sich eine alte Kirche, die normalerweise für kleine Unterrichtseinheiten „Classes“ verwendet wird. Kommen dürfen alle Kinder und Jugendlichen, es ist keine Altersgrenze festgelegt. Grob gesagt wird das Oratory von Kindern im Alter zwischen 3 und 18 Jahren besucht. Die Zahl der kommenden Kinder variiert stark. Je nach Tag oder Anlass kommen mal mehr mal weniger Kinder. Im  Normalfall sind ungefähr 150 Kinder im Oratory, wobei es am Anfang immer weniger sind und die Anzahl während der Oratorytime zunimmt. Das Oratory öffnet jeden Tag in der Woche von 15 bis 17 Uhr seine Türen.

coole Jungs

coole Jungs

Wie alle pädagogischen Einrichtungen der Salesianer Don Boscos richtet sich auch das Oratory in Odumase nach den vier oratorianischen Prinzipien.  Zum ersten ist es ein „Haus“ das Kindern und eine Beheimatung schenken soll.  Eine meiner Aufgaben als Freiwillige sehe ich darin zu diesem „Heimatgefühl“ beizutragen. Ich bin nicht nur Ansprechpartner bei organisatorischen Fragen und Fragen bezüglich des Spielzeugs, sondern bin auch da um den Kindern zu zuhören und sie bei Sorgen und Nöten zu ermutigen.  Um den Kindern  „Heimatgefühl“ zu schenken, verbringe ich -banal gesagt – oft einfach Zeit mit ihnen. Das heißt ich spiele, tobe oder rede mit ihnen, versuche ihre Bedürfnisse zu sehen und diese zu stillen und helfe den Kindern bei Kleinigkeiten wie Schuhe binden, Skates ausziehen und anderen Sachen.

Oratorykinder beim Spielen

Oratorykinder beim Spielen

Draußen im Garten

Draußen im Garten

Spielen mit Brother John, der aus dem Oratory nicht wegzudenken ist

Spielen mit Brother John, der aus dem Oratory nicht wegzudenken ist

Bei der Menge an Kindern, die täglich ins Oratory kommen, ist es oft gar nicht so einfach  sich genug Zeit für einzelne Kinder zu nehmen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Ich liebe es die Kinder durch Herumblödeln, Herumtragen und in die Luft schleudern oder kleine Spiele glücklich zu machen. Da bin ich mittlerweile richtig Profi… JTrotzdem ist es mir wichtig geworden auch über das zu sprechen was die Kinder bewegt. Ich denke, dass das bei Ihnen zuhause leider zu kurz kommt.  Letztens hat mir ein Junge erzählt, er sei traurig, da eine Beerdigung, ihn an seine tote Großmutter erinnert habe. Die habe mit ihm zusammen immer gespielt und ihm manchmal Toffees gegeben. Auch erzählte er mir von seinem Freund, der eines Tages nicht mehr aufgewacht ist. Ein anderer Junge erzählte mir er habe Angst vor schnellen Autos, weil sein Vater, ein Taxifahrer, einen Unfall gehabt habe. Für mich war es erstaunlich, was die Kinder mir anvertraut hatten, als ich mir die Zeit für sie genommen hatte.

Die Kleinsten

Die Kleinsten

Außerdem soll das Oratorium eine „Pfarrgemeinde“ bieten. Das heißt den Kindern sollen Impulse zu Glaube und Religion gegeben werden. Durch das regelmäßige Prayer zu Beginn und Ende der Oratorytime wird auch in Odumase versucht den Kindern den christlichen Glauben nahe zu bringen. Durch einen kleinen Impuls nach dem Prayer sollen die Kindern angestoßen werden über Gott nachzudenken. Meine Aufgabe ist es hier die Kinder zum Gebet zusammenzutrommeln, die Gebete  mit durchzuführen und gegebenenfalls einen kleinen Impuls weiterzugeben. Die Kinder in der Halle zum Gebet zusammenzutrommeln ist eines der größten Herausforderungen im Oratory. Besonders hier merke ich, dass ich als Autoritätsperson bei einigen Kindern noch nicht akzeptiert werde. Denn manchmal hilft auch meine lauteste Stimme nicht.  Es gelingt mir einfach nicht ohne Hilfe alle Kinder aus der Halle hinaus zum Gebet zu bewegen. Agyaa, mein Oratorykollege, der hier schon mehrere Jahre als Freiwilliger arbeitet und den wir Volontäre auch sehr schätzen, da er über alle Abläufe im Oratory Bescheid weiß, braucht nur einmal in normallauter Lautstärke zu rufen und schwups sind alle Kinder raus aus der Halle. Manchmal etwas deprimierend, aber das wichtigste ist hier stark zu bleiben und nicht die Geduld zu verlieren J

Don Bosco - das oratory steht unter seinem Namen

Don Bosco – das oratory steht unter seinem Namen

Als ein Ort des Spiels, bietet auch „mein“ Oratorium den Kindern Spielmöglichkeiten und Spielzeuge an. Meine Aufgabe ist es den Kindern das Spielzeug auszugeben und zu schauen, dass die Spielzeuge auch von Kind zu Kind weitergegeben werden.  Am Ende der Oratorytime sorge ich dafür, dass alle Spielzeuge  im Storeroom eingeräumt sind und das Oratory ordentlich verlassen wird.

Der Storeroom - Julian beim Spielzeug ausgeben

Der Storeroom – Julian beim Spielzeug ausgeben

Ansonsten probiere ich mich im Fußballtraining aus und unterstütze Julian beim Fußballtraining J organisiere gemeinsam mit ihm verschiedene Programme, wie zum Beispiel die Christmasparty oder das Obolo-Fußballturnier  (dazu später mehr)und  gemeinsam mit Father Chichi, der verantwortlich für das Oratory ist, stellen wir Volontäre gerade einen Jahresplan für Programme auf, die im Oratory über das Jahr verteilt stattfinden sollen.

Die Weihnachtsgeschichte als Tanz im traditionellen Gewand

Die Weihnachtsgeschichte als Tanz im traditionellen Gewand

Der Weihnachtsmann und seine Gehilfin- kleine spontane Tanzeinlage von uns Volontären

Der Weihnachtsmann und seine Gehilfin- kleine spontane Tanzeinlage von uns Volontären

Das Oratoryteam, fast komplett

Das Oratoryteam, fast komplett

Außerdem haben  Julian und ich einen Wochenplan ausgearbeitet, in dem wir für jeden Tag einen kleinen Programmpunkt festgelegt haben, an dem die Kinder teilnehmen können. Zum Beispiel können die Kinder sich montags kreativ betätigen und am Mittwoch werden Spiele oder Wettkämpfe angeboten.  Etwas Kreatives für Montag zu überlegen gehört auch zu meinen Aufgaben. Letztens habe ich zum Beispiel Elefanten mit den Kindern gebastelt. Insgesamt kommt das Basteln sehr gut bei den Kindern an. Manchmal zu gut… Es ist gar nicht so einfach sich für jedes Kind Zeit zu nehmen, wenn ständig gerufen wird: „Cecilia, can you help me?“ Jedem Kind da gerecht zu werden, ist immer wieder eine große Herausforderung, zu dem ich leider auch vom Bastelmaterial begrenzt bin. Trotzdem bin ich immer wieder überrascht über die Kreativität der Kinder und will ihnen durch diese Aktionen die Möglichkeit geben  ihre Phantasie und Kreativität weiter auszuleben.

Außerhalb der Oratorytime bin ich gerade dabei den Aufbewahrungsraum für die Spielzeuge aufzuräumen und das auszusortieren was nicht mehr gebraucht wird. Mein Ziel ist es den Raum so zu gestalten, dass man anhand von Beschriftungen alles so schnell wie möglich wiederfinden und aufräumen kann.

So sah !! :-) der Storeroom aussah, mittlerweile ist es schon um einiges geordneter

So sah !! 🙂 der Storeroom aussah, mittlerweile ist es schon um einiges geordneter