„Ich mache meinen Freiwilligendienst in Benin!“ „Aha, in Afrika“ „Ja, in Benin!“ „Boa, so weit weg! In Afrika!“

…dieses Gespräch hab ich vor meiner Ausreise oft geführt. Die Vroni geht in das „große, gefährliche und unbekannte „Land“ Afrika“. Aber wohin genau wird schnell vergessen. „Nach Afrika eben! Der Kontinent, auf dem jeder trommeln kann, auf dem Armut herrscht und auf dem jeden Abend getanzt wird.“

Doch, Moment! Getanzt wird hier nicht jeden Abend, ich habe auch schon viele Leute getroffen, die nicht gerne trommeln, und auch das Thema Armut betrifft sicher nicht ganz Afrika! Natürlich gibt es Dörfer, Städte und Regionen, die von Armut betroffen sind, doch sicher nicht ein ganzes Land und schon gar nicht der ganze Kontinent. Diese Verallgemeinerungen sind nur einige Beispiele und oft unbegründete Klischees.

Doch wie kommt es zu solchen Fehleinschätzungen?

Sein wir mal ehrlich: Hast du dich schon mal genauer mit dem Kontinent Afrika auseinander gesetzt? Kannst du jedes Land benennen und kennst dich aus? Ich geb´s offen zu, bevor ich erfahren hab, dass ich ein Jahr in Benin leben werde, wusste ich noch nicht mal wo das Land überhaupt liegt. Ich wollte nach Afrika. Wohin? Naja voll wurscht, nach Afrika halt!
Einflussfaktoren, die unser „Afrikabild“ prägen, sind doch beispielsweise Erzählungen, eigene Erfahrungen, Bilder, Fotos oder Berichte aus den Medien.
Korruption, Entwicklungsländer, Krieg, Hungersnöte, Dürre sowie eben auch Tanzen, Trommeln oder Armut könnten somit Schlagwörter sein, die schnell mit Afrika verbunden werden.
Doch woran liegt das?

Eine Theorie:
Es ist leichter, die Menschen in der Meinung zu bestätigen, die sie schon vertreten, als ihre Ansicht umzukrempeln.
Ein Beispiel: Oft schreiben mir Freunde: „Die Kinder, mit denen du arbeitest, sind bestimmt alle lernbegeistert und motiviert. Die freuen sich doch bestimmt in die Schule zu gehen, oder?“.
Mit der Antwort „Ja“ lässt sich der Fragende schnell befriedigen, denn dadurch fühlt er sich in seiner bisherigen Sicht bestätigt. Doch die Wahrheit ist eine andere. Natürlich ist Schulbildung hier nichts selbstverständliches, doch auch beninische Kinder haben ganz einfach mal keinen Bock auf Schule, schimpfen über Lehrer und sind auch mal nicht motiviert, ihre Hausaufgaben zu machen. Diese Wahrheit wird eben nicht so gerne akzeptiert, da sie das Bild von „lernbegeisterten Kindern in Afrika“ eben nicht einfach nur verallgemeinernd bestätigt.

Genauso ist es oft auch andersrum!
Auch viele Afrikaner haben manchmal nur ein oberflächliches Bild von Europa. „Dort ist jeder reich, das Geld liegt auf der Straße, man muss es nur einsammeln, Jobs gibt es in unglaublichem Überfluss und das Leben ist sehr leicht.“ Nicht ohne Grund flüchten Hunderte von Afrikaner nach Europa, weil sie sich ein besseres Leben erhoffen und merken erst dort, dass die europäische Realität anders aussieht. Wie oft höre ich von Freunden, Bekannten oder Unbekannten hier den Satz:

„Nimm mich mit in dein Land!“,

oft ohne überhaupt zu wissen, woher ich komme. Alleine meine Hautfarbe reicht aus, dass mich Beniner in die Schublade reich (= Europa = das Paradies = da will ich auch hin) stecken. Erzählt man jedoch, dass es auch weiße Europäer gibt, die auf der Straße leben und obdachlos sind, wird man nur ausgelacht und es heißt „Monteuse“ (=Lügnerin).
Auch hier passt die Theorie! Die Menschen werden gerne in ihrer „Traumvorstellung Europa“ bestätigt, doch die Realität zu verstehen, fällt schwer.

Hier im Heim hab ich deshalb ein kleines „Geographie- Projekt“ gestartet.
Jede Woche haben wir einen anderen Kontinent durchgenommen und die Kinder durften dazu eine Landkarte ausmalen, mit Stoff bekleben oder mit Wasserfarbe bemalen. Am Ende klebten wir alle Kontinentkarten zu einer großen Weltkarte zusammen. Die Kinder löcherten mich geradezu mit Fragen:
„Liegt USA nicht in Afrika?“, „Warum ist Europa so klein?“, „Wo wohnt Christiano Ronaldo? Und hast du seine Telefonnummer? Weil der ist doch auch weiß, wie du!“ und „Wie lange braucht man von Benin mit dem Schiff nach Australien?“.
Z
umindest ein paar Unklarheiten und Missverständnisse wurden vielleicht dadurch geklärt und aus dem Weg geräumt.

Ich selbst konnte in den vergangenen 7 Monaten feststellen, wie viele meiner Bilder, die ich zuvor von Afrika im Kopf hatte, falsch sind. Man kann einfach weder Afrika noch Europa feste Eigenschaften zuordnen. Genausowenig kann man „dem typischen Afrikaner“ oder „dem typischen Europäer“ einen festen Charakter geben!
Jeder Mensch ist nun mal verschieden und individuell und das ist auch gut so!

Ich hoffe, ich konnte euch mit diesem Blogartikel einen kleinen Anstoß geben, mal eure eigene „Afrika- Schublade“ zu öffnen und zu sortieren, was Realität und was vielleicht auch einfach nur Verallgemeinerung und Klischee ist.

In diesem Sinne wünsche ich euch einen schönen Frühling, genießt ihn für mich mit! 😉 Eure Vroni
PS: Weitere Fotos von meinem Alltag, der Freizeit und alles was ich so mache findet ihr wie immer in der Bildergalerie!