„Ring, Ring“

Es ist 5:30Uhr, mein Wecker klingelt und ich werde grausam aus meinem traumlosen Schlaf gerissen. Da gibt es nur eine Lösung: 5-Miuten-Schlummer-Taste!

Um 5:35Uhr habe ich dann keine Wahl mehr. Jetzt heißt es schnell aufspringen, die Klamotten überziehen, die den Geruchstest so grade noch überstehen, Zähneputzen und mal eben aufs Klo. Und schon befinde ich mich um Viertel vor 6 in der Kapelle beim Gebet. Halb verträumt bekomme ich davon und von der Messe nur die Hälfte mit. Aber zum Glück kommen die Antworten nach dem 142. Mal auch auf Französisch im Schlaf. Das Schönste an der morgendlichen Messe ist die Zeit danach. Bis um 7 Uhr bleiben wir nämlich noch in Stille in der Kapelle sitzen und ich komme endlich Mal dazu, ein Buch zu lesen.

Kapelle

Danach geht es zum Frühstück, wo ich von meiner Mama- unserer Köchin- herzlichst begrüßt werde. Mit leckerem, selbstgebackenem Weißbrot mit Avocado aus unserem Garten oder Jempy (=Nutella) und Banane oder eben einer zweiten oder dritten Scheibe mit dem eigenen Honig oder der Erdbeermarmelade oder dem leicht angeschwitzten, immer gleichen Käse, starte ich wohlgenährt in den Tag. Besonders der starke ruandische Kaffee gibt einem noch den richtigen Frischekick.

Während dem Spülen fällt mir dann plötzlich ein: Oh nein, du hast noch kein Abendwort vorbereitet. So muss ich noch schnell kreativ werden, meine Kinyarwanda-skills auspacken und kann erst um 8:05Uhr meinen Beutel aufschnallen, bei Valentina klopfen und auf geht´s zum Kinyarwanda-Unterricht. Zuverlässig wie jeden Morgen, auf dem Weg zum Schulgebäude auf Höhe der Schreinerei höre ich es dann rufen:

„Lina!“

Ich: „Trinity“

Trinity: „Bite, Lina?“ = Wie geht´s, Lina?

Lina: „Ni byiza, Trinity!“ = Gut, Trinity!

Trinity: “ Uri ishuti yanjye!“= Du bist meine Freundin

Lina: “ Gukunda si ko gukundwa“ = rwandisches Sprichwort: Lieben heißt nicht geliebt zu werden

So habe ich es also geschafft, dass jeder, der in der Schreinerei arbeitet, meinen Namen richtig aussprechen kann…

Weg Menuserie

Weg vom Haus zum Schulgebäude. Hinten rechts ist die Schreinerei zu erkennen.

Und Puh, auch unser Lehrer kommt gerade erst herangeschlendert. Mal mehr, mal weniger motiviert habe ich nun 2 Stunden Unterricht. Nach dem wir 1/2 Stunde Umlaute (=Ibihekane) nachgesprochen haben, lässt meine Lust nach, weil ich die Unterschiede immer noch nicht hinbekomme. Zum Glück bietet sich immer eine Gelegenheit, das Thema zu wechseln. So philosophieren wir 1 Stunde über das Leben in Ruanda, bekommen verschiede Kulturunterschiede erklärt oder lästern über unseren Aspiranten. Als Ex-Salesianer kann unser Lehrer immer einen Beitrag leisten, wenn es darum geht, was in unserer Kommunität gerade so abgeht. Dann lasse ich noch mein Abendwort verbessern = komplett umschreiben und der Unterricht ist schon zu Ende. Nochmal kurz ins Zimmer, denke ich mir dann, bevor um halb 11 mein Englischunterricht startet. Doch auf dem Weg treffe ich schon die ersten Kinder. Bosco (Name geändert) muss dringend gewaschen werden und braucht Medizin für seine Haut. Das kann auch nicht bis nachmittags warten oder samstags, meinem eigentlichen Waschtag. Bei ihm weiß man nämlich nie, wann er da ist, und wann nicht. Also bewaffne ich mich mit einem Eimer und warmem Wasser, Einweghandschuhen und der Medizin und fange nach Anleitung meiner Vorgängerin an, Bosco zu verarzten. Mein Motto ist dabei immer, besser das, als gar nichts. Und zumindest eine kleine Verbesserung der offenen Stellen, verursacht durch Parasiten, lässt sich mittlerweile erkennen.

 Claude

Danach geht es mit 10 Minuten Verspätung zum Unterricht, wo mich meine Schüler schon erwarten. Aber wie, da fehlt doch die Hälfte. Naja, so ist das eben, die eine muss ihrem Vater helfen und bei den nächsten bin ich mir sowieso nicht sicher, was sie in meinem Unterricht verstehen und was nicht. Also anstelle von 5 eben diesmal nur 2 Schüler. Mit Hilfe meiner alten Englischbücher versuchen wir die verschiedenen Geschichten zu verstehen. Das ist oft nicht so einfach, wie soll man schließlich darauf kommen, dass Charlie ein Hund ist, Tiere haben schließlich keine Namen?! Oder wie soll ich eine Straße beschreiben, wenn es keine Straßennamen gibt? So ist auch hier immer ein großer Kulturaustausch in unseren Unterricht integriert.

Mit einigen Minuten Verspätung komme ich um viertel vor 1 beim Mittagessen an. Das macht überhaupt nichts, schließlich ist Père Léon aus Belgien, der einzige, der pünktlich um halb 1 das Essen eröffnet. Zwar eigentlich noch satt vom Frühstück genieße ich, Suppe, Salat und Quelle Chance: Es ist Dienstag uns es gibt Manjok, einen Brei der mit der richtigen Soße, Fleisch und Gemüse wirklich himmlisch schmeckt. Zum Nachtisch gibt es dann Maracuja oder Bananen. Und dazu für Valentina und mich nochmal eine Tasse Kaffee. Gemeinsam mit fast allen Patern wird auch nach dem Mittagessen gespült. Ich bin also mittlerweile ein richtiger Abtrocken-Profi geworden.

Nach dem Essen bleibt mir dann eine halbe Stunde, um mich einmal kurz auszuruhen. Um halb 3 warten schon die ersten Kinder vor der Tür: „Lina!! Umupira=Ball!“ – Jaja, ich komme ja schon… Und so wird das Oratorium mit einem Basketball, Volleyball und Fußball eröffnet. Die kleineren Kinder haben eher Interesse an dem Diabolo, also nochmal rein und das Diabolo holen. Dann kommen noch die Jugendlichen, die Tanzen wollen. Da das unter meiner Verantwortung passiert, mache ich mich auf die große Suche nach den richtigen Schlüsseln für die Lautsprecher und die Klassenräume, die zum Tanzen benutzt werden. Zur Zeit haben wir hier 2 Tanzgruppen, die eine besteht aus 6 Jungs, die Hip-Hop tanzen und sich „The Warriors“ nennen. Die andere Gruppe heißt „La tempestade“ und besteht aus vielen Jungs und immerhin 4 Mädchen, die Salsa tanzen und modeln. Nach ein Paar kläglichen Versuchen meinerseits, im Salsa tanzen, bevorzuge ich es doch eher, die Zeit mit den Kindern zu verbringen.

Immer gut beschäftigt, sind diese zum Beispiel, wenn man mit ihnen malt. (Allerdings muss man ihnen immer etwas vorgeben, wenn man nicht nur Autos haben möchte.) Und auch auf die Stifte muss man je nach Kind auch gut aufpassen, ansonsten bekommt eben schnell nur noch die Hälfte zurück…

Blog

Ab 16 Uhr kommen auch immer mehr ältere Kinder, Jugendliche und Studenten. Mit Ihnenspiele ich gerne Volleyball und lasse den Tag so noch mit etwas Sport ausklingen. Um 18 Uhr kommt dann unser Aspirant schon leicht nervös angerannt. (Ich habe mittlerweile die Zeit überhaupt nicht mehr im Blick). Also mache auch ich mich auf den Weg, den Tänzern das Ende anzukündigen. Das ist für mich die blödeste Arbeit des Tages, schließlich macht man sich nicht gerade beliebt, wenn man den Kindern die Bälle zum Spielen wegnehmen muss und die Kinder zum Abendwort versammelt. Zum Glück habe ich etwas vorbereitet und wir leiern nicht nur das Vater unser runter. Ich kann den Kindern und vor allem Jugendlichen, die zum Abendwort bleiben, auf Kinyarwanda etwas darüber erzählen, was das neue Jahr für mich bedeutet. Dann doch noch schnell ein Vater unser und es heißt Gute Nacht an alle Kinder. Nach kurzem Pläuschchen, mit den Kindern, dem Abschließen der Klassen und dem Verabschieden der Jugendlichen muss ich, als ich um 18:27Uhr in meinem Zimmer bin, feststellen, dass wohl eher keine Zeit zum Duschen bleibt. So wasche ich mir schnell die Hände und sprinte zum Gebet. Gerade rechtzeitig. Auch hier endet der Tag mit einem Abendwort einer der Pater und man erfährt wieder viel Neues über das Leben in der Kommunität. Pünktlich um 19:10Uhr sitzen wir dann alle gemeinsam am Tisch und es gibt Abendessen (nach dem gleichen Schema wie auch schon das Mittagessen). Nur das es diesmal als Nachtisch sogar noch Vanillepudding mit Schokostreuseln gibt – es fehlt nur noch die Himbeersoße und es wäre genauso wie früher bei meiner Uroma-einfach himmlisch. Nach Spülen und aufräumen bin ich schließlich so um halb 9 auf meinem Zimmer. Und habe den Abend jetzt für mich. Oder eben zum Schlafen/Englischstunde vorbereiten/ noch ein Bierchen mit den Patern trinken/skypen…

Insgesamt verbringe ich hier viele ausgefüllte Tage, die immer irgendein Highlight mit sich bringen, und wenn es nur das Toben mit den Kindern ist. Es ist also mittlerweile eine gewisse Routine vorhanden, aber sicher keine Langeweile.

Macht es gut, Lina